Blogbeitrag




Coaching

Eine Führungskraft wird immer mehr sein als ein Coach

Timm Richter, 17. September 2020

In modernen Führungskonzepten des New Work oder der Agilität wird vor allem die Aufgabe des Coaching betont oder die Aufgabe einer Führungskraft auf das Coaching reduziert. Und damit gemeint sind dann Beratung, Begleitung und Unterstützung. Wer sich als Führungskraft unreflektiert auf diese Job-Definition einlässt, wird Probleme bekommen.

Führung bedeutet Asymmetrie

Denn eine Führungskraft ist eben nicht nur Berater, Begleiter und Unterstützer. Formell und informell ist eine Führungsbeziehung immer auf Asymmetrie ausgelegt, in der die Führungskraft Weisungsbefugnisse und damit auch Verantwortung zugeschrieben (!) bekommt - sei es von Vorgesetzten, den MitarbeiterInnen oder Teams. Spätestens wenn es in kritischen Situation entscheidend darauf ankommt, wird diese Asymmetrie spürbar, die immer (latent) vorhanden ist. Das schließt überhaupt nicht aus, dass man sich in einem partizipativen Führungsstil auf Augenhöhe begegnet. Im Gegenteil, eine vertrauensvolle Führungsbeziehung ermöglicht es, dass MitarbeiterInnen zum Wohl des Unternehmens ihr Potenzial entfalten können.

Gleichwohl, wenn man sich fragt, was Führung wirklich bedeutet, dann kommt man darauf: von Führung - im Gegensatz zu beraten, begleiten, unterstützen - sprechen wir (nur) dann, wenn drei Aspekte beobachtet werden:

  • Es wird die Führungsfrage gestellt, nämlich: macht man weiter wie bisher oder soll etwas geändert werden?
  • Es wird - über welchen Prozess auch immer - eine Entscheidung getroffen
  • Die Entscheidung wird akzeptiert und befolgt

Führung schafft einen Rahmen für Selbstorganisation

Diese drei Aspekte zusammen machen Führung aus. Und in ihnen ist die Asymmetrie eines Führen-und-Folgen-Prozesses angelegt. Führung setzt (und hält) also immer einen Rahmen, innerhalb dessen dann Freiheitsgrade selbstorganisiert wahrgenommen werden (können). Man kann diese Steuerungswirkung von Führung anhand der drei Funktionen von Führung - direct, manage, lead - konkreter beschreiben:

Direct heißt, dass Führung für eine inhaltliche Richtung sorgt. Dabei muss eine Führungskraft nicht selbst alle Entscheidungen treffen, sie bekommt aber die Verantwortung dafür zugeschrieben, dass es eine strategische Richtung gibt. Und wenn eine Führungskraft viele Freiheitsgrade gibt und auch MitarbeiterInnen z.B. an Strategieentwicklungen beteiligt oder ihnen diese Aufgabe überlässt, so wird sie spätestens dann einschreiten, wenn Grenzen überschritten werden, die sie nicht mehr verantworten will.

Manage heißt, dass Dinge geregelt werden. Führung sorgt dafür, dass Organisationen entscheidungs- und handlungsfähig bleiben. Führungskräfte treffen selbst konkrete Entscheidungen, wenn sie das zu sehr im Detail machen, sprechen wir von Micromanagement. Dies wird zu Recht kritisiert. Führung enthält aber immer eine Komponente des Macromanagements. Also dafür Sorge zu tragen, dass überhaupt Entscheidungen getroffen werden, und festzulegen (oder zu dulden), wie Entscheidungen getroffen werden. Führung zeichnet sich dadurch aus, auch immer anders entscheiden zu können.

Lead heißt, MitarbeiterInnen wachsen zu lassen. Also vor allem für eine gute Passung von Mitarbeiter und Aufgabe zu sorgen, d.h. zu entscheiden, wer welche Rolle ausfüllt. Und noch umfassender überhaupt zu entscheiden, wer Mitarbeiter wird und bleibt.

Ohne Führung geht es nicht

In allen drei Funktionsbereichen von Führung spielt Coaching eine wichtige Rolle. Es bedeutet nämlich, die MitarbeiterInnen dabei zu beraten, begleiten und zu unterstützen, ihr Potenzial und ihre Fähigkeiten in ihrem Freiheitsraum zu entfalten. Coaching ist ein Katalysator für diese Selbstorganisation von MitarbeiterInnen und Teams. Es kann sogar dabei helfen, mehr Freiheiten geben zu können, um die Leistungsfähigkeit der Organisation zu stärken. Führung hingegen bedeutet immer Rahmung, das Formen eines Kontextes aus Zielen und Grenzen. Das ist die primäre Aufgabe, für die es keinen Ersatz gibt. Wer genau hinsieht wird feststellen, dass Rahmung (d.h. Führung) in allen Organisationen immer vorkommt. Führungskräfte sollten sich dieser Aufgabe bewusst sein, denn sie werden im Zweifelsfalle verantwortlich gemacht.

Eine coachende Führungskraft sollte sich in Punkto eigenem Rollenverständnis nicht am Business-Coach, sondern am Chef-Coach (sic!) einer Sportmannschaft orientieren. Was macht z.B. der Fussballtrainer des Jahres, Hansi Flick? Er begegnet seinen Spielern mit Respekt auf Augenhöhe und lässt gleichzeitig keinen Zweifel daran, dass er die Spielidee vorgibt, Trainings- und Spielbetrieb orchestriert und die Mannschaft aufstellt.


Wer sich intensiver mit modernen Organisation- und Führungskonzepten (Stichworte Agilität, New Work) auseinandersetzen und Bedingungen für ihre erfolgreiche Anwendung verstehen möchte, dem kann ich das Seminar „Agilität und Organisation“ von Simon, Weber and Friends empfehlen (Hinweis: ich bin als Seminarleiter mit dabei)

Teaser Agilität und Organisation